Wer auf der ST Developers Conference Aussagen zu neuen Prozessor-Familien-zur Betriebssystem-Strategie oder zur miserablen Verfügbarkeit erwartet hat, wird enttäuscht. STMicroelectronics sprach stattdessen über das Ökosystemen und über die „Intelligenz der Sensoren“ – hier eine kurze Zusammenfassung.
Worum geht es hier?
Coronavirus sei Dank, ist die Teilnahme an STMicroelectronics in den USA abgehalten Kongress dieses Jahr auch ohne Flugticket möglich: die Zusammenkunft ist rein virtuell, eine Workstations und ein Getränk reichen aus. Dieser Artikel möchte eine „Kurz-Vorstellung“ interessanter Vorträge und Ereignisse aus der Sicht eines Mikrocontroller-bzw. Prozessrechner-Jockeys bieten.
Lustiges und Philosophisches
Analog zu Arm legt auch STMicroelectronics den Fokus auf das Wohlbefinden des Entwicklers. Paul Cihak sprach in seiner Keynote explizit von “The Future is yours – your needs”. Lustig war in diesem Zusammenhang vor allem, dass er einige Minuten später die Meldung “worlds most efficient semiconductor maker” ausspie.
Auch sonst war man „in liberalen Sphären“ unterwegs. Neben vielfachen Erwähnungen von Clean Power wurde die Zero Carbon-Politik gelobt. Federico Faggin (für den Intel 4004 bekannt) sprach längere Zeit über die „Philosophie des Menschen“ und darüber, wie Gewissen den Menschen zum Menschen macht und ihn von der Maschine unterscheidet.
Aussagen zur „Verfügbarkeits-Situation“ hätte man auch von Ricardo De-Se-Earp erwartet, der als Generalmanager der STM32-Division eigentlich etwas dazu zu sagen hätte. Lustigerweise war dies nicht der Fall – der permanent stotternde Vortrag konzentrierte sich auf die Aussagen der „Breite des ST-Ökosystems“ und der Vorstellung bzw. des Lobens von Innovationen in den (nicht verfügbaren) Mikrocontrollern.
FreeRTOS oder Azure RTOS?
Als STMicroelectronics die Zusammenarbeit mit Azure ankündigte, erwarteten viele, dass Amazon den einstigen „Lieblings-Partner“ nun wie eine heiße Kartoffel fallen lassen würde. Dies war nicht der Fall: obwohl die zwischen den Kongress-Vorträgen eingeblendeten Werbespots größtenteils von Microsoft „dominiert“ wurden, schickte auch der Cloud-Buchhändler Vortragende ins Rennen. Beide llustrierten die „Vorteile“ der hauseigenen Cloud anhand von Beispielen mit dem neuen Stromsparprozessors U5, den STMicroelectronics übrigens auch – siehe beispielsweise AN5138 (https://www.st.com/resource/en/application_note/dm00476869-migrating-from-stm32l4-and-stm32l4-to-stm32l5-series-microcontrollers-stmicroelectronics.pdf) als Ersatz für den L4 vorsieht. Geradezu quixotisch war, dass sich die beiden Unternehmen eine Slide “teilten“ – die Unterschiede in den beiden Abbildungen sind eher minimal.
Interessant ist, dass STMicroelectronics die „Code-Sicherheit“ des U5 hervorhebt. Mit passwortbasierter Regression möchte man Angreifern Downgrade-Attacken “versalzen“, während Teile der Kryptobeschleuniger gegen Side Channel-Attacken (Z. B. Messung des Stromverbrauchs) robust sein sollen.
Sensoren mit Gehirn.
Die in der Einleitung genannte „Edge on the Edge“ setzt STMicroelectronics durch das Integrieren von AI-Modulen in die Sensor um.STMicroelectronics spricht hier auch von der „Aktivierung der Sensordaten“. Diese Funktion bezeichnet man als Machine-Learning Core, als die Abbildung zeigt einige Anwendungsfälle.
Edoardo Galizzio nutzte die Möglichkeit, um die „Weiterentwicklung“ der Sensor-Technologie im Hause STMicroelectronics zu loben. In seinem Vortrag fand sich auch eine Folie, die die Nützlichkeit im Bereich Automotive illustrierte.
Zu guter letzt wurde die zehn Jahres-“ Verfügbarkeitsgarantie“ auch auf einige MEMS-Sensoren erweitert: quixotisch – was bringt eine Nicht-Abkündigungsgarantie, wenn man die Sensoren einfach nicht im Handel bekommt.
Für die „Verteilung der Dokumentation“ setzt man im Hause ST dabei auf GitHub-die URL https://github.com/STMicroelectronics/STMems_Machine_Learning_Core bietet empfehlenswerte Codebeispiele an.
Heads-Up-Display a la STM.
Google mag mit dem Glass „Schiffbruch“ erlitten haben – mit „Laser Beam Scanning“ schickt STMicroelectronics nun eine neuartige Technologie für Wearables ins Rennen. Dahinter steht der Gedanke, dass das dem Benutzer angezeigte Bild durch einen Laserstrahl entsteht, der von einem MEMS-Sensor“ per Ablenkung geschrieben wird.
Diese auf den ersten Blick „seltsam“ klingende Technologie scheint in der Praxis durchaus gut zu funktionieren – der Vortragende unterlegte dies mit den mit den folgenden vier Beispiel-Bildern.
STMicroelectronics scheint sich in diesem Markt häuslich einzurichten – neben dem Industrie-Standard plant man Verbesserungen der hauseigenen Referenz-Architektur.
GPS-Technologie im Fokus.
„Geht es um GPS, so denkt man als Entwickler an ublox. STMicroelectronics ist im Bereich Positionierungssysteme ebenfalls aktiv, und nutzt die hauseigenen ML-Kompetenzen zum Anbieten von „sensorischem Mehrwert“.
Mehrwert-Quelle Nummero eins ist dabei das als Dead Reckoning bezeichnete Koppelungsnavigieren: dahinter steht der Gedanke, dass das GPS-Modul in Tunneln die Position anhand von MEMS-Sensordaten weiterberechnet.
Der Fokus lag auf auf einem als Vertical Positioning bezeichneten Verfahren. Dahinter. Darunter versteht STMicroelectronics die Auswertung des Umgebungsdrucks, um statt den zweidimensionalen GPS-Koordinaten stockwerksgenaue dreidimensionale Koordinaten errechnen zu können.
„Wir sind mehr”
Obwohl STMicroelectronics den „Wildwuchs” im Ökosystem seit der Übernahme von Atollic eingeschränkt hat, gibt es für Entwickler nach wie vor mehr als genug Futter.
So baut STMicroelectronics beispielsweise die hauseigenen Isolator-Chips immer weiter aus – interessanterweise nannte man als ein explizites Verkaufs-Argument pro Galvano die Degeneration von Optokopplern.
Das für “Besitzer und Benutzer von Leuchtdioden“ im allgemeinen nicht erwartete Problem tritt in der Praxis zum Beispiel im Bereich Messtechnik häufig auf – manche Solartron-Multimeter lassen sich durch Austausch Koppler wieder ins Leben zurückbringen.
Feldeffekttransistor „neuartiger“ Halbleiterchemie – also SIC und GAN – wareb ebenfalls Thema, leider war dieser Track paralell zur Internet of Things-Vortragsserie.
Der Fokus lag auf der universellen Erhöhung der Effizienz. Darunter versteht STMicroelectronics zum Beispiel das Anbieten von Gehäusevarianten, die ohne Bonddrähte auskommen – dies reduziert parasitäre Induktivitäten.
Außerdem wird der „Varianten-Zoo“ im Haus Feldeffekttransistor noch reicher. Im Bereich SIC gibt es neben „klassischen“ Varianten, die ob des mitbringen von Helfer-FETs weniger effizient sind, auch neue Typen die zwecks maximaler Effizienz eine andere Art der Ansteuerung benötigen.
Mehr erfahren!
Fühlen Sie sich von einem der hier besprochenen Themen „in besonderer Weise“ tangiert, oder möchten Sie mehr über STMicroelectronics erfahren, so sei ihnen die URL https://www.st.com/content/st_com/en/st-developers-conference-americas-2021-live.html ans Herz gelegt – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels arbeitet STMicroelectronics daran, Aufzeichnungen der diversen Vorträge online zu stellen.
Fazit
Wer viele Kunden hat, hat gut leben – dieser im Café-Management geltende Spruch gilt logischerweise auch für STMicroelectronics. Außer Frage steht, dass das Unternehmen die Gewinne – zumindest teilweise – in die Entwicklung „neuartiger“ Technologien und die Verbesserung der Lebensqualität der im Ökosystem arbeitenden Entwickler investiert. Andererseits ist fraglich, inwiefern sich dies langfristig als die richtige Strategie erweist – die Entwicklung für Controller anderer Hersteller mag nicht so komfortabel sein, die Controller sind im Markt aber für „reale“ Preise verfügbar. Es bleibt also spannend…
Zuerst erschienen bei Mikrocontroller.net News
Quelle: Read More